Männlichkeit und Partnerschaft Teil 1

Posted by deconstruct on 2021/03/20

veröffentlicht von Kleingruppe Montachstreff –

Im folgenden Text spreche ich über romantische Beziehungen. Über die ersten Erfahrungen, die ich mit Frauen innerhalb meiner durchgehend heterosexuellen Beziehungen innerhalb einer heteronormativ geprägten Gesellschaft gesammelt habe, über die Entwicklung dieser Beziehungen von damals bis heute und mögliche zukünftige. Dabei möchte ich insbesondere auf persönliche Erlebens- und Verhaltensweisen eingehen, die ich als spezifisch männlich identifiziere, sie transparent reflektieren und kritisieren, sowie einen Ausblick darüber geben, was ich auf welche Art und Weise verändern möchte.

Warum mache ich das (öffentlich)? Weil es mir einerseits hilft, mich ehrlich mit mir selbst auseinanderzusetzen, Veränderungen zu reflektieren und herbeizuführen. Andererseits weil es viel zu viele Männer wie mich gibt, die sich nie oder nur unzureichend mit ihrer eigenen Scheiße auseinandergesetzt haben und entsprechend negativ auf ihre Partner*innen einwirken. Vielleicht gibt es von diesen ja ein paar, die sich durch diesen Text ermutigt fühlen damit zu beginnen oder weiterzumachen. Das ist ein andauernder Prozess. Daher bin ich auch nicht reflektierter, mehr aware oder irgendwie „besser“ als Du. Aber ich bin verantwortlich für mein eigenes Denken und Handeln. Und ich nehme es nicht mehr hin, dass andere Menschen (vor allem FINTA-Personen) darunter leiden.

Abgesehen von den verschiedenen „Freundinnen“ die ich im Alter ab 13 Jahren bis ca. 16 Jahre hatte, die durch das Ankreuzen des Kästchens „Ja“ auf dem Zettel mit der Frage „Willst Du mit mir gehen?“ zustande kamen, habe ich meine erste romantische Beziehung mit 16 Jahren begonnen1. Ab da hatte ich verschiedene Freundinnen. Bis zum Alter von 25 Jahren, hat keine Beziehung länger als neun Monate am Stück gehalten. Trotzdem hatte ich die meiste Zeit eine Freundin. Zwischen diesen Beziehungen lagen oft nur wenige Wochen, teilweise auch wenige Monate. Als erstes schreibe ich über diese Zeit. Wenn ich versuche, diese Beziehungen in wenigen Sätzen zu beschreiben, würde ich sagen: Ich hatte keine Ahnung, keine Vorstellung, kein Bewusstsein im Hinblick darauf, was diese Beziehungen bedeuten. Ich habe nicht darüber geredet, es ist irgendwie passiert (Romantik, Zeit miteinander verbringen, Sex) und am Ende habe ich Schluss gemacht. Alle diese Freundinnen habe ich verletzt. Manche weniger stark, manche sehr heftig.

Meine wesentlichen Kritikpunkte bezüglich dieser Beziehungen beziehen sich auf mein nicht vorhandenes Kommunikationsverhalten. Ich sprach mit meinen Partnerinnen nie über persönliche Probleme, Herausforderungen, Schwierigkeiten, Fragen, Unsicherheiten und Ängste. Sie wussten nicht, dass meine Eltern über mehrere Jahre meiner Kindheit und Jugend Alkoholiker waren und mir das schwer zu schaffen machte. Dass ich viele Jahre sehr große Angst davor hatte, dass sich meine Eltern trennen und ich mich entscheiden müsste, bei wem ich lieber wohnen möchte. Oder dass es weitere tiefe Familienabgründe gab, über die ich bis heute nicht reden kann (und will)2. Ich sah nie den Bedarf darin mich mitzuteilen, dachte immer, dass ich darüber stehe und selbst mit meinen Problemen klarkommen muss. Natürlich hatte das einen negativen Einfluss auf meine Beziehungen. Es bestand immer eine gewisse emotionale Distanz zu meinen Partnerinnen. Sie konnten nicht nachvollziehen, warum ich schlechte Stimmungen hatte, (vermeintlich) grundlos wütend war und Alkohol missbrauchte. Ich trank Alkohol nicht, um einen spaßigen Abend zu haben, sondern um mich zu betäuben und mich nicht mit meinen Problemen auseinandersetzen zu müssen. Wenn das nicht der Grund war, dann zumindest um zu zeigen, dass ich mehr trinken kann, als meine anderen männlichen Freunde. Sprachen mich meine Freundinnen darauf an, was los sei, war immer „alles gut“.Glaubten sie mir? Nein. War mir das egal? Auf jeden Fall. In meiner Wahrnehmung ging sie das nichts an. Bei meinen Ängsten und Sorgen konnten sie mir sowieso nicht weiterhelfen. Sicherlich hätte ich damals behauptet, dass ich aus Spaß trinke und einfach Lust habe zu saufen, zu rauchen und zu kiffen. Und wahrscheinlich hätte ich auf eine gewisse Art und Weise auch Recht damit gehabt. Weil mir bei weitem nicht alle Probleme bewusst waren, wie sie es jetzt sind. Und hier möchte ich direkt einhaken. Meine Probleme sind mir nicht bewusst. Zumindest bei weitem nicht so bewusst, wie ich es mir wünsche.

Wäre ich damals ehrlich zu mir gewesen, ich hätte gar nicht behaupten können, dass es mir Spaß macht, an mindestens drei Abenden der Woche betrunken zu sein, am nächsten Tag einen Kater und in vielen Fällen einen Filmriss zu haben und zu erfahren, wie ich mich dieses Mal daneben benommen habe.

Die Beziehungen nahm ich als gesetzt wahr, etwas das einen Anfang hat, gut läuft und dann vorbei ist. Weil ich es beendete. Ich kann nicht sagen, dass in diesen Partnerschaften etwas schlecht lief, zumindest nicht aus meiner Perspektive. Ich lernte eine Frau kennen, verstand mich gut mit ihr, verspürte Zuneigung und Aufregung, kam mit ihr zusammen, hatte Lust mit ihr zu knutschen und mit ihr zu schlafen, dann war ich mit irgendetwas unzufrieden (meist, dass ich die Beziehung nicht mehr so aufregend fand), fand andere Frauen interessanter und machte Schluss. Gedanken oder Gefühle dazu teilte ich ihr nicht mit. Entweder verhielt ich mich immer distanzierter und lustloser ihr gegenüber, oder ich beendete die Beziehung so abrupt, dass sie nicht einmal damit rechnete. Meistens tat es mir nicht einmal leid, da ich eine absurde Vorstellung davon hatte, im Recht zu sein. Wie eine bestimmte Mahlzeit zum Frühstück, die zur Gewohnheit wird, aber irgendwann nicht mehr schmeckt und ich beschließe, etwas anderes lieber essen zu wollen. Es tut mir weh das zu schreiben und ich schäme mich sehr, aber wenn ich ehrlich bin, dann war es genau so.

Ich sprach mit meinen Partnerinnen auch nie über ihre Wünsche oder Bedürfnisse innerhalb unserer Beziehung. Nicht darüber, was sie sich von mir als Partner erwartet oder wünscht. Nicht darüber, wie oft wir uns sehen wollen, wohin sich die Beziehung entwickeln soll, oder noch allgemeiner ausgedrückt, wie wir unsere Beziehung führen wollen. Ich sprach auch nicht über unsere Sexualität, über sexuelle Handlungen die wir miteinander teilten, über meine oder ihre sexuellen Bedürfnisse oder Wünsche. Bis ich 25 Jahre alt war, fragte ich nie eine Frau, ob sie einen Orgasmus oder überhaupt Spaß hatte, geschweige denn was ich tun kann, um ihr Freude zu bereiten. Ich fragte nie eine Frau, was ihr denn Spaß macht, oder bot ihr an – wenn sie es nicht wüsste – es gemeinsam herauszufinden. Hauptsache ich hatte mein Vergnügen. Ob ich Spaß hatte, definierte sich durch meinen Orgasmus. Danach war sowieso Schluss mit jeglichen sexuellen Handlungen. Es machte mich zwar an, wenn ich das Gefühl hatte, dass meine Partnerin Lust empfindet, wenn wir Sex hatten, oder andere sexuelle Handlungen miteinander teilten3. Aber weder fragte ich sie danach, ob mein Eindruck, sie empfindet Lust dabei, zutraf, noch fragte ich sie, was ich denn wie machen kann, um ihr Spaß zu bereiten.

Die weibliche Lust interessierte mich fast genauso wenig wie die weibliche Anatomie oder der Menstruationszyklus. Damit einher gingen fehlende Kenntnisse über die Unterscheidung zwischen Vulva und Vagina, der tatsächlichen Größe der Klitoris, Menstruationsbeschwerden wie den Regelschmerzen oder dem prämenstruellen Syndrom, sowie anderen Erkrankungen wie z.B. der Endometriose und ihren Symptomen. Mein Interesse begann bei der Frage, ob wir Sex haben können und endete mit der Antwort, ab wann wir wieder miteinander schlafen können. Okay, wir redeten über Verhütung. Aber nur unter dem Aspekt einer möglichen ungewollten Schwangerschaft und nicht aufgrund der potenziellen Übertragung sexueller Krankheiten. Und auch nur, weil es meine Freundinnen gewesen wären, die schwanger werden und sie es deshalb ansprachen (wenn sie nicht ohnehin schon die Anti-Baby-Pille nahmen und mich daher nur informierten4). Für mich war die Pille immer am bequemsten. Ich musste sie nicht einnehmen, ich musste kein lästiges Kondom verwenden, ich musste sie nicht bezahlen und ich musste die Nebenwirkungen nicht ertragen. Also beschäftigte ich mich auch nicht mit den vielen negativen Aspekten der unterschiedlichen Anti-Baby-Pillen, sondern empfahl meinen Freundinnen die Einnahme der selbigen, wenn sie es nicht ohnehin schon taten.

Im Alter von 25 Jahren begann ich meine bis heute längste Beziehung (ca. drei Jahre) mit einer Frau. Es fällt mir heute noch schwer, unsere gemeinsame Zeit in Worte zu fassen, da sie mich nach wie vor sehr beschäftigt.

Im Gegensatz zu mir, hat sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits ausführlich mit verschiedenen Themen auseinandergesetzt und vertrat fundierte Meinungen. Sie war Feministin, hatte wenig bis gar nichts übrig für romantische Beziehungen, sondern war nicht-monogam, sie war politisch interessiert und bewandert, sie kommunizierte direkt, offen und ehrlich; kurz gesagt: sie war das absolute Gegenteil von mir.

Sie hatte Lust sich auf eine Beziehung mit mir einzulassen und war anfangs bereit, diese auf meinen Wunsch hin monogam zu führen, obwohl es ihr selbst nicht wichtig war. Allerdings wollte sie sich von mir nicht als „meine Freundin“ oder generell als „Mädel“ statt als Frau bezeichnen lassen, sie hat mir nie „Ich liebe Dich“ gesagt und stand klischeehaft-romantischen Dingen eher bis ganz ablehnend gegenüber. Wenn wir über politische Themen diskutierten und Standpunkte austauschten, fragte sie mich nach meinen Gründen und hakte kritisch nach. Bloße Behauptungen meinerseits akzeptierte sie nicht. Sie wollte wissen was dahinter steckt. Wenn es mir nicht gut ging, mich etwas beschäftigte oder ich schlechte Laune hatte, dann fragte sie mich warum und versuchte den Ursachen auf den Grund zu gehen. Sie redete über Sex und ihre Bedürfnisse, über ihre Erwartungen an mich und fragte mich nach konkreten Erwartungen ihr gegenüber. Sie machte meine familiären Hintergründe zum Thema. Sie erkannte viele ungeklärte und verdrängte Aspekte meiner Vergangenheit und Gegenwart und forderte ein, dass ich mich damit beschäftige.

Sie mochte mich so sehr, dass ich es ihr wert war, sich auf die eben beschriebene Art und Weise mit mir zu befassen. Immer wieder nahm sie die Kraft und Geduld auf, mich mit meinen unreflektierten Gedanken, Aussagen und Verhaltensweisen zu konfrontieren. Ich werde wahrscheinlich nie wirklich begreifen und nachempfinden können, wie viele Nerven ich sie gekostet habe und wie wütend ich sie an vielen Stellen unserer Beziehung gemacht habe. Weil ich mich wirklich jedes Mal entweder genau so oder ähnlich verhalten habe:

Ich reagierte rechtfertigend und präsentierte immer passende Entschuldigungen oder Ausreden. Ich verneinte was sie ansprach, unterstellte ihr, sie hätte Unrecht oder würde etwas missinterpretieren. Ich sah den echten Fehler, die echte Ursache bei ihr, statt bei mir und teilte ihr das mit. Ich behauptete irgendetwas, Hauptsache möglichst selbstbewusst. Ich unterstellte ihr reine Böswilligkeit mir gegenüber. Ich kritisierte sie für die Art und Weise, wie sie Kritik mir gegenüber äußerte und nicht für den Inhalt der Kritik. Ich nahm die Kritik persönlich, als hätte sie mir mitgeteilt was für ein schlechter Mensch ich bin. Ich reagierte beleidigt, wurde traurig, war wütend und manchmal alles gleichzeitig.

Das ist eine für mich sehr wichtige und bis heute wirkende Beziehung auf ihr wesentliches reduziert. Ich weiß, dass ich ihr nicht gerecht werden kann, weder mit einem kurzen Absatz, noch mit mehreren Seiten intensiver Abhandlung. Sie reiht sich aber ein in eine Vielzahl vergleichbarer Beziehungen, in denen vermeintlich linke, reflektierte Männer, an ihre Grenzen stoßen. Oder besser gesagt, an Grenzen anderer stoßen. Beinahe alle Frauen in meinem Umfeld haben bereits solche oder ähnliche Erfahrungen mit Männern gemacht und (hoffentlich) an irgendeinem Punkt die Reißleine gezogen und die Beziehung beendet. In manchen Fällen, wie in meinem, haben sogar die Männer die Beziehung beendet, weil sie nicht mehr mit der regelmäßigen Kritik an ihrem Verhalten (nicht an ihrer Person!) umgehen konnten. Viele dieser Frauen haben so viele und/oder derart negative Beziehungserfahrungen mit Männern gemacht, dass es ihnen auch noch Jahre später schwer fällt, Menschen zu vertrauen, auf eigene Bedürfnisse zu achten, romantische Beziehungen mit Menschen einzugehen, uvm. Das liegt zum einen an den toxischen Beziehungserfahrungen und zum anderen an gesellschaftlichen Bedingungen, an Rape Culture, Sexismus, Misogynie, Sexualisierter Gewalt, männlichem Chauvinismus, Androzentrismus, etc.5

Seit fast zwei Jahren gebe ich mir Mühe meine romantischen Beziehungen zu Frauen (aber auch freundschaftliche Beziehungen zu Frauen und Männern, oder ganz allgemein den Kontakt mit anderen Menschen) anders zu führen. Ich begreife diese Partnerschaften als ständigen Lernprozess, versuche mein vergangenes und gegenwärtiges Verhalten so gut es geht zu reflektieren und zu verändern. Jeder Mensch verdient es, mit Respekt und Wertschätzung, mit Mitgefühl und Liebe begegnet zu werden. Daher ist es mir wichtig (geworden), die Wünsche und Bedürfnisse meiner Partnerin zu kennen, zu achten und zu befriedigen so weit es mir möglich ist. Das ist aus meiner Perspektive nur durch eine direkte, offene und ehrliche Kommunikation möglich. Dazu gehört das Reden über meine Gefühle. Die Auseinandersetzung mit meinen Problemen, mit Dingen, die mich beschäftigen und belasten. Die Bereitschaft, mir Kritik anzuhören, sie anzunehmen und Veränderungen herbeizuführen. Überhaupt erst mal Kritik als etwas positives, als etwas schönes zu begreifen. Und alles dafür zu tun, dass meine Partnerin diese Kritik auch äußern möchte und kann. Negative Aspekte unserer Beziehung, oder meines Lebens wertschätzend zu kommunizieren und nicht für mich zu behalten. Meine Bedürfnisse und Wünsche nicht zur Grundlage unserer Partnerschaft zu machen, sondern mich an denen meiner Beziehungspartnerin zu orientieren. Natürlich geht es nicht darum, sich unterordnen zu müssen. Darum geht es nie. Es ist toll, wenn beide kongruente Vorstellungen von dem Gemeinsamen haben und diese gleichberechtigt einbringen können. Dafür müssen wir aber erst einmal miteinander reden, uns der eigenen Vorstellungen bewusst werden, sie miteinander abgleichen. Die Beziehung, alles was wir aneinander haben und voneinander wollen, ist dynamisch. Sie kann sich jederzeit verändern. Umso wichtiger ist es, regelmäßig darüber zu sprechen und die Beziehung neu zu bewerten. Andernfalls können sich Aspekte der Partnerschaft festfahren, zu Selbstverständlichkeiten werden und dazu führen, dass ich die andere Person übergehe. Das hilft nicht nur dabei, eine stabile Beziehung auf Augenhöhe zu führen, sondern auch dabei, damit umzugehen, wenn die Vorstellungen auseinandergehen.

Ich möchte klarstellen, dass mir das eben geschriebene nicht leicht fällt und noch lange keine Selbstverständlichkeit in meinem Umgang mit anderen Menschen geworden ist. Es fällt mir wahnsinnig schwer, Kritik auf eine positive Art und Weise anzunehmen und umzusetzen. Ich muss mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass mir gegenüber geäußerte negative Kritik nicht eine Ablehnung von mir als Mensch darstellt, sondern ganz im Gegenteil ein Ausdruck für die Wertschätzung der anderen Person(en) mir gegenüber bedeutet. Weil mir dadurch die Möglichkeit gegeben wird, mein Verhalten zu verändern. Ich habe große Schwierigkeiten damit, meine Meinungen und Standpunkte auf eine angenehme Weise zu vertreten und dabei offen für die Möglichkeit von Widerspruch zu bleiben, oder gar Veränderungen meiner Einstellungen zuzulassen. Ich beharre oft unnötigerweise auf meine Äußerungen und verletze damit meine Gegenüber. Wenn in solchen Situationen noch ein gewisses Stresslevel bei mir hinzukommt und meine Laune ohnehin schon schlecht ist, dann fällt es mir noch schwerer. Ich gerate in eine Art Film, aus dem ich nur schwer herauskomme. Vor kurzem bin ich wieder in eine solche Situation gekommen und habe die Menschen in meinem Umfeld damit erheblich genervt. Erst als mich meine Partnerin darauf angesprochen hat und mir ihre Wahrnehmung gespiegelt hat, konnte ich da irgendwie rauskommen. Ich habe ihr zugehört, ihre Kritik verstanden und angenommen, und mich im nächsten Schritt bei allen Beteiligten für mein Verhalten entschuldigt. Ich sage das nicht, um mich als reflektierten Mann darzustellen. Sondern um transparent zu machen, welche Schwierigkeiten ich habe. Am liebsten wäre es mir nämlich gewesen, gar nicht erst in so einen Film zu kommen. Dafür muss ich aber u.a. tief liegende, unterbewusste Probleme angehen und mir therapeutische Unterstützung suchen. Dieses Bewusstsein hatte ich schon an mehreren Punkten meines Lebens. Angegangen bin ich es trotzdem nicht. Wegen einer absurden, männlichen Erhabenheit über meine Probleme. Wie viele FLINT kennst Du, die in ihrem Leben bereits therapeutische Hilfe in Anspruch nahmen, oder gerade dabei sind? Und wie viele Männer? In meinem Umfeld liegt das Verhältnis grob geschätzt bei 10:1. Das ist doch ein Witz.

Ein weiteres bad practise Beispiel, welches zeigt, dass ich noch viel Arbeit leisten muss: Vor fast zwei Jahren habe ich meine ehemalige Beziehungspartnerin (aus der Partnerschaft, die ca. drei Jahre gehalten hat) wieder einmal getroffen. Wir haben uns auf einen Kaffee verabredet. Das war eines von ein paar wenigen sporadischen Treffen nach dem Ende unserer Beziehung, um (es folgt meine Interpretation) wieder den Zugang zueinander zu finden. Zu diesem Zeitpunkt traf ich mich die dritte Woche mit einer Frau, der ich mich gegenüber geöffnet habe, wie nur wenigen Menschen zuvor. Ich war glücklich. Meine ehemalige Partnerin hatte eigene Gründe für das Treffen. An diesem Tag wollte sie mir endlich einige Sachen sagen, die sie mir wahrscheinlich schon eine lange Zeit sagen und mitgeben wollte. Sie warnte mich davor, mich erneut Hals über Kopf in einen Menschen zu verlieben, starke Gefühle mir gegenüber durch eine Frau zu wecken und sie dann zu verletzen. Sie sagte mir, dass ich viele Dinge die mich beschäftigen für mich behalten habe und dass es an vielen Punkten in unserer Beziehung für sie so war, als würde sie gegen eine Wand reden. Sie sagte mir, sie will nicht, dass es einer anderen Frau genauso ergeht wie ihr selbst. Sie unterstellte mir (zu recht), dass ich nicht über meine Probleme spreche und dass auch enge Freund*innen nicht wissen, wie es in mir aussieht.

Meine Reaktionen bestanden aus Abstreiten, Rechtfertigen und Wut. Ich empfand es als ungerecht, mir solche Vorwürfe gefallen lassen zu müssen. Weil ich doch im letzten Jahr so viel über meine Probleme geredet habe6. Und weil sie schon so lange nicht mehr präsent in meinem Leben war und das ganze nicht mehr beurteilen konnte. Ihr Worte verletzten mich sehr.

Irgendwann sagte ich ihr, dass ich mir das nicht mehr anhören möchte und nicht will, dass sie noch einmal so mit mir spricht. Ich ging und brach den Kontakt mit ihr ab. Nach dem Gespräch war ich so aufgewühlt, ich brach vor meinen beiden Mitbewohnern in Tränen aus und schilderte ihnen was passiert war. In den darauffolgenden zwei Tagen sprach ich mit einigen Menschen darüber, was mich in meiner Meinung bestätigte, dass ich gut mit Problemen umgehe und meine Ex-Partnerin unrecht hatte. Sämtliche Gesprächspartner*innen teilten mein Unverständnis. Das half mir dabei, mich nicht auch nur im Ansatz mit den geäußerten Kritikpunkten auseinandersetzen zu müssen. Schließlich hatte sie unrecht. Ein paar Tage später hörte ich über einen gemeinsamen Freund, dass sie fragte, ob ich an dem Abend zu einem Geburtstag komme, oder ob ich noch beleidigt sei. Das machte mich noch wütender, zeigte es mir doch, dass sie nicht verstand, wie sehr sie mich mit dem ungerechtfertigten Gespräch verletzt hat.

In den letzten fast zwei Jahren hatte ich keinen Kontakt mehr mit ihr. Ich erwartete eine Entschuldigung und meldete mich nicht bei ihr. Seit knapp einem Jahr denke ich immer wieder über die Beziehung und dieses Gespräch mit ihr nach. Ich denke ich beginne langsam ein bisschen zu verstehen, welches Unrecht ich ihr angetan habe, wie beleidigt ich wirklich gewesen bin und wie unfassbar arrogant ich mit ihr umgegangen bin. Es fällt mir nicht einfach das zu verstehen, mich überhaupt damit auseinanderzusetzen und einen ehrlichen Umgang damit zu finden. Es hilft mir, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Aber im Gegensatz zu damals, muss ich diesen Menschen alles erzählen. Damit meine ich auch, wie ich mich ihr gegenüber innerhalb der Beziehung verhalten habe. Andernfalls können meine Freund*innen nur die „positiven“ Aspekte kommentieren, die ich ihnen weitergebe. Und das ist nichts anderes als manipulatives Verhalten. Ich möchte bald das Gespräch mit meiner Ex-Partnerin suchen und für all diese Dinge um Entschuldigung bitten. Wenn sie sich das überhaupt noch anhören möchte. Ich könnte verstehen, wenn sie das nicht mehr will. Davor habe ich große Angst.

So viel erst einmal zu meinen Beziehungserfahrungen von damals bis heute. In weiteren Teilen möchte ich auf persönliche gesellschaftliche Einflussfaktoren eingehen, mir also die Frage stellen, warum ich meine Beziehungen so geführt habe, wie ich sie führte. Ich möchte darüber sprechen wie ich aufgewachsen bin, sowohl familiär, als auch gesellschaftlich. Mir darüber Gedanken machen was sich verändern muss, damit wir (gemeint sind Jungen und Männer) unsere Beziehungen anders führen – wertschätzend, respektvoll, gleichberechtigt – und damit einen Beitrag zur Veränderung gesellschaftlicher (patriarchaler) Strukturen leisten können.

1 Zumindest nach damaligen Maßstäben. Das solltest Du beachten: Wenn ich über vergangenes schreibe, dann auch über die Gedanken die ich mir damals gemacht oder nicht gemacht habe. Sehe ich das heute kritisch und habe es verändert oder möchte es noch verändern, dann werde ich es auch so benennen.

2 Bevor ich mit diesem Text begann, habe ich endlich einen Beratungstermin für therapeutische Maßnahmen vereinbart. Es ist ein allgemeiner Termin, um herauszufinden, welche Therapieform geeignet wäre. Ich weiß nicht, was mir helfen kann, ich weiß nur, dass ich endlich mit einer Person darüber reden und daraus resultierende Probleme angehen muss. Wie ich darauf gekommen bin? Verschiedene Frauen haben mich an verschiedenen Stellen meines Lebens darauf aufmerksam gemacht.

3 „Sex haben“ ist so viel mehr als die reine Penetration. Das ist mir heute bewusst, damals war es das definitiv nicht.

4 Das soll in keinster Weise vorwurfsvoll klingen. Ich möchte damit lediglich ausdrücken, dass ich in der Regel keine Fragen dazu stellte. Schließlich war ich es nicht, der die Pille einnahm und die (für mich!) wesentliche Frage, ob meine Partnerin schwanger werden könnte, war geklärt.

5 Im Rahmen dieses Textes beschränke ich mich auf meine persönlichen Beziehungserfahrungen und den toxischen Verhaltensweisen, die ich gezeigt habe. Mit den oben genannten gesellschaftlichen Bedingungen möchte ich mich innerhalb eines weiteren Textes beschäftigen. Mit Aspekten in meinem Leben, die dazu beigetragen haben, dass ich mich so verhalten habe, wie ich mich verhalten habe. Um eine Brücke zu den gesellschaftlichen Bedingungen der als kritisch zu betrachtenden männlichen Verhaltensweisen zu schlagen.

6 Weil ich ausnahmsweise tatsächlich über EIN Problem mit meinen Freund*innen gesprochen habe. Dieses Problem hat mich 1,5 Jahre lang sehr beschäftigt und hat viele verschiedene negative Gefühle in mir hervorgerufen. Es war das erste mal in meinem Leben, dass ich so ausführlich darüber gesprochen habe, wie es mir geht und was mich beschäftigt. Ich empfand es als Offenbarung und die totale Kehrtwende. Dabei war das vergleichsweise ein Sandkorn in einem großen Sandkasten voller Dinge, die mich wirklich beschäftigen.

Download: Männlichkeit und Partnerschaft Teil 1

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